Der Mensch sei in einem Konflikt, »durch den Anspruch seines inneren Wesens, den Inhalt des Begriffs der Menschheit in Person zu schaffen«, und durch seine Natur, »von sich aus zu den Gegenständen außer ihm überzugehen«. Genau diese Wiederholung zeigt aber beispielsweise eines der Probleme von geistigem Eigentum: Etwas sieht genauso aus, ist aber etwas ganz anderes. Entfremdung ist Selbstentfremdung, so wie Erkenntnis gleich Selbsterkenntnis ist – ein Prozess, in dem das Selbst seine Wirklichkeit als durch seine Tätigkeit geworden begreift und sich diese seine Wirklichkeit aneignet. Es ist also ein höheres Bewusstsein seiner selbst, der Geist wird im menschlichen Bewusstsein Gegenstand seiner selbst.
Ein weiteres Strukturmerkmal stellt die zunehmende Entfremdung Gregors einhergehend mit seiner Verwandlung dar. Zunächst scheint die Verwandlung nur rein äußerlich zu wirken. Körperlich ist er zu einem Tier geworden, doch im Bewusstsein noch ein Mensch, denn schließlich will er sich noch wie ein Mensch bewegen und vollzieht lange Denkvorgänge.
Erst im Unterwegs des Kräftespiels zwischen dem Einen und Anderen des Ganzen ist die gegenseitige produktive Entfremdung zwischen dem Einen und Anderen des Werdenden möglich. Die Möglichkeit des Kräftespieles ist aber überhaupt erst aus der Existenz des Gegensatzes gegeben, der wiederum Bedingung der Möglichkeit
der gegenseitigen Reflexion der jeweiligen Andersartigkeit der zwei Aspekte des Einen ist. So muß sich alles im vorliegenden Fall insbesondere die unwirkliche kulturelle und geistige Wirklichkeit seiner doppelten Zweiseitigkeit bewußt sein, anstatt in Einseitigkeit zu verfallen oder zu verharren und damit unwahr zu werden bzw. zu
bleiben und im daraus hervorgehenden Stillstand gar nicht zu sein.
Die Entfremdung setzt nicht erst mit der Arbeit ein, sie beginnt nicht mit der Erweiterung des Eigenbedarfs hin zu einem anonymen Markt, nicht mit der Arbeitsteilung, durch die man sich nicht mehr wieder erkennt und auch nicht mit fremdbestimmten Arbeitsanweisungen. Sie beginnt weit vorher. Die Figur des Subjektes ist per se sich selbst entfremdet, denn die Erfahrung – und das Subjekt gründet sich auf der Erfahrung – ist Vergegenständlichung von sich selbst, konstituiert
sich durch Vergegenständlichung. Dabei treten Subjekt als Selbstbewusstsein und Objekt, als die äußerliche Welt auseinander. Entfremdung ist die Bewegung des sich selbst Wirklichkeit gebenden Subjekts, also Selbstentfremdung. Daraus folgt eine sich sukzessiv höherentwickelnde Durchdringung von Subjekt und Objekt.
Der Arbeiter, der seine Arbeitskraft verkauft, produziere nicht für sich selbst und sei zufolge der Arbeitsteilung nur ein Glied in der Produktionskette.
»Entfremdung« ist ein notwendiger Prozeß der Differenzierung der Kultur. Zur Differenzierung gehört aber das Moment der Trennung und des Umschlags, der Verwandlung in sein Gegenteil.
Die Konstitution des Subjekts als Erfahrbares, als Sichtbares besteht damit aber immer zugleich in einer »Unterwerfung«, die Unterwerfung unter ein bestimmtes sichtbares und damit wiederholbares Format, unter ein Format, das immer auch angeeignet werden kann. (Man kennt das. So Sachen wie: „Das habe ich nicht gesagt.“, oder „Das habe ich so nicht gesagt.“).
Das »Nichtidentische« ist nichtidentisch, fremd, äußerlich, nur unter dem Gesichtspunkt der Identität. Daß Identität sein soll, gilt Adorno als der einzige Grund der Entfremdung.
„Wem das Dinghafte als radikal Böses gilt; wer alles, was ist, zur reinen Aktualität dynamisieren möchte, tendiert zur Feindschaft gegen das Andere, Fremde, dessen Name nicht umsonst in Entfremdung anklingt; jener Nichtidentität, zu der nicht allein das Bewußtsein, sondern eine versöhnte Menschheit zu befreien wäre.“
Das ist Gesetz. Wo gäbe es da einen Irrtum? »Dieses Gesetz kenne ich nicht«, sagte K. »Desto schlimmer für Sie«, sagte der Wächter. »Es besteht wohl auch nur in Ihren Köpfen«, sagte K., er wollte sich irgendwie in die Gedanken der Wächter einschleichen, sie zu seinen Gunsten wenden oder sich dort einbürgern. Aber der Wächter sagte nur abweisend: »Sie werden es zu fühlen bekommen.«
Das Moment der Entfremdung ist uns also ursprünglich. Und anstelle die Entfremdung, die vom Kapitalismus ständig geleugnet wird und geleugnet werden muss, zu beklagen, anstelle die Entfremdung beseitigen zu wollen, sollte man sich in Zeiten der neuen Produktivkraft »geistiges Eigentum« über Folgendes klar sein: Entfremdung ist ein gefährliches Moment.
Wilhelm von Humboldt, Mercedes Bunz 69 ,Karl Marx, G. W. F. Hegel, Theodor Adorno, Franz Kafka, Daniela Liebig, Linda Krause